Hallo,
ich frage mich schon seit einiger Zeit, wie man bei einseitigem Layout analog zur Teilung oder zur »Diagonalisierung« eine Satzspiegelkonstruktion vornimmt. Ich nehme an, der Satzspiegel soll auch hier das gleiche Seitenverhältnis wie das Papier haben. Aber gilt das auch für die »Ecken«, die durch die Überlagerung der Stege entstehen?
Wenn ich in eine Log-Datei eines einseitig gesetzten Dokumentes schau, dann hat KOMA-Script z.B. DIV=8 reingeschrieben. Aber wieviele Teile wählt man dann für welchen Steg?
Einseitiger Satz ist immer irgendwie paradox
Man läuft da tatsächlich in einen Konflikt. Erster Grundsatz ist, dass der Satzspiegel das gleiche Seitenverhältnis haben soll, wie die Seite. Zweiter Grundsatz ist, dass alle Ränder gleich groß sein sollen. Beim doppelseitigen Satz erreicht man das durch die Konstruktion mit den Diagonalen bzw. mit dem einfachen Ansatz, dass der innere Randanteil jeder Seite halb so groß sein sollte, wie der äußere Randanteil. Die schönen Verhältnisse der Randecken (in denen sich wiederum das Seitenverhältnis der Seite findet) sind ein weiterer Nebeneffekt der Konstruktion über die Diagonalen. Im Ergebnis führt das dazu, dass auch der untere Rand doppelt so groß wie der obere Rand ist. Nehmen wir Abbildung 2.1 aus der KOMA-Script-Anleitung und betrachten die drei Ecken oben, dann haben wir links ein Randverhältnis von 1:2, in der Mitte 1:2 und rechts 1:2. Unten haben wir hingegen dreimal 2:2=1:1. Oben zu unten ist 1:2.
Beim einseitigen Satz kann man diese Konstruktion so nicht verwenden, weil linker und rechter Rand gleich groß sein sollen.
Betrachten wir wieder Abbildung 2.1 (aber nur die rechte Seite!) und verändern wir sie für einseitig. durch Neuverteilung des linken und rechten Randes. Aus DIV=9 wird DIV=18. Die Felder werden also horizontal und vertikal jeweils verdoppelt. Gleichzeitig schieben wir den Satzspiegel um ein (neues) Feld nach rechts. Dann haben wir oben bei den Ecken das Randverhältnis 2:3. Oberer Rand zu unterem Rand steht aber im Verhältnis 4:3. Hier ist ein Widerspruch. wollte man den lösen, müsste man den Satzspiegel vertikal um ein halbes Feld nach oben schieben (oben 1,5:3=3:6=1:2 unten 3,5:3=7:6) und um ein halbes Feld verkürzen (oben 1,5:3=3:6=1:2 unten 3:3=1:1). Dann hätte der Satzspiegel aber nicht mehr das Feldverhältnis 1:1, sondern wäre schief. Gleichzeitig würden sich die meisten Anwender beschweren, wenn der Satz sich komplett verändern würde, wenn man zwischen ein- und doppelseitig umschalten würde. Wir hätten also einen Fehler in der Harmonie durch einen schwerwiegenderen Fehler in der Harmonie beseitigt. Eine andere Lösung wäre, den Satzspiegel vertikal ebenfalls zu zentrieren. Mathematisch wäre das eine ganz einfache Lösung aller Probleme. Die kommt aber nicht in Frage, weil hier mathematische Lösung und optische Wirkung nicht übereinstimmen. Ein mathematisch zentrierter Satzspiegel wirkt optisch nicht zentriert, sondern nach unten übergewichtig.
Bei typearea wird deshalb quasi der DIV-Wert verdoppelt (siehe oben) und sowohl für den linken als auch den rechte Rand dann jeweils drei Teile verwendet. Frank hat damals bei Script 2.0 aber IMO zurecht davon abgesehen, die vertikalen Ränder ebenfalls zu verändern, weil das optisch schnell in eine Katastrophe führt.
Als Restfrage bleibt eigentlich nur, ob denn bei einem einseitigen Dokument der linke und rechts Rand wirklich gleich groß sein müssen. Nun, dies ist eine naheliegende und weit verbreitete Forderung. Im Fall von symmetrischem Satz würde ich sie auch jederzeit übernehmen. Aber wir kommen eigentlich immer mehr von symmetrischem Satz ab (unsere Überschriften sind linksbündig, häufig wird auch bei einseitigen Dokumenten verlangt, dass der Kolumnentitel linksbündig und die Seitenzahl rechts steht, u. v. m.). Es drängt sich eigentlich fast die Frage auf, ob wir damit nicht eigentlich den Seitenspiegel der rechten Seite eines doppelseitigen Dokuments nicht auch für ein einseitiges Dokument verwenden könnten. Hierzu kann ich keine abschließende Antwort geben. Ich tendiere jedoch erst einmal zu einem: Ja. Problematisch dabei ist nur, dass wir dann eigentlich auch auf den Blocksatz verzichten sollten. Daraus resultiert wiederum, dass der rechte Rand mathematisch verkleinert werden sollte, weil beim Flatter- und beim Rauhsatz (der eine ist mit, der andere ohne Trennung) die optische rechte Kante des Satzspiegels gegenüber dem mathematischen Ende desselben nach links wandert (und leicht verschwimmt).
Der einseitige Satz wirft also sehr viele Fragen auf. Nicht alles, was als Antwort erscheint, ist auch eine. Nicht jede der Fragen kann rein mathematisch und nicht jede kann maschinell beantwortet werden. Letztlich entscheidet das Auge des Betrachters.
Danke
Danke für die sehr ausführliche Antwort. Wenn ich das richtig verstanden hab, dann benutzt KOMA-Script bei einseitigem Satz den Satzspiegel für doppelseitigen Satz und zentriert ihn horizontal.
Klar ist auf jeden Fall, daß man beweisen kann, daß bei einseitigem, horizontal zentriertem Satz nicht gleichzeitig der Satzspiegel und die unteren Randecken dasselbe und die oberen Randecken das reziproke Seitenverhältnis wie das Papier haben können. Außer bei quadratischem Papier, aber da ist dann der Satzspiegel auch vertikal zentriert.
Genau
Genau, wobei natürlich BCOR noch berücksichtigt wird.