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Zahlenwerte im Fließtext in Matheschrift oder Brotschrift

Hallo,

danke für die Arbeit an diesem Forum und die Beschäftigung mit wirkungsvoller Typographie.

Ich befinde mich in einem Dilemma: Ein technisches Buch ist in Libertine gesetzt, verwendet aber zur Darstellung komplexerer mathematischer Formeln die Matheumgebung, für die Times vorgesehen ist. Formelzeichen, die im Fließtext auftauchen, werden selbstverständlich auch in Times gesetzt. Wenn ich aber einen Zahlenwert angebe, etwa 15 h, 23 ºC, 25 m s-1, ist es dann aus typografischer Sicht erstrebenswerter Libertine, die in der Zeile etwas gedrungener und niedriger ausfällt zu verwenden oder lieber Times, die scheinbar die volle Zeilenhöhe nutzt, aber heraussticht. Und dieses Herausstechen, darf dass nicht auch sein, könnte das Vorteile haben?

Ich kann mich nicht entscheiden und würde mich über eine Experten-Meinung sehr freuen.

Herzliche Grüße

Thomas Denninger

forum: 
Bild von Markus Kohm

Das ist eine schwierige Frage. Ich würde alle mathematischen Zahlen mathematisch setzen. Das betrifft beispielsweise $15\,h$, wobei die Verwendung des Pakets units oder siunitx zu empfehlen wäre. 15~Stunden wäre hingegen Text und auch im Textfont zu setzen. Schwieriger wird es auf den ersten Blick bei 23°C. Bei näherer Betrachtung wird das in einem mathematisch, naturwissenschaftlichen Text aber in der Regel ebenfalls Mathematik sein.

Die eigentliche Frage ist, ob Times als Matheschrift zur Libertine überhaupt passend ist. Diese Frage kann ich aber nicht auf Anhieb beantworten. Eventuell würde es helfen, eine der Schriften leicht zu skalieren. Leider ist beispielsweise bei mathptmx keine Option scale vorgesehen.

Sticht »mathematisch« gesetzter Text inmitten von normalem Text nicht zu sehr heraus? Ich hätte jetzt eher gesagt, daß man alles, was im Fließtext steht, im normalen Textfont setzen sollte und den Mathefont nur in abgesetzten Formeln benutzt. Und: Wenn dann müßte es doch zumindest $15$\,h heißen, weil »h« eine Einheit ist, oder? Da würde es auf mich seltsam wirken, wenn die Ziffern einer anderen Schrift entnommen wären als die Einheit.

Da ich bei solchen Texten bisher nur Pallatino (pplj) mit Euler benutzt habe (oder LModern, dann ohne Euler), konnte ich mit dem Paket units bis jetzt nichts anfangen. Meine Versuche mit dem Paket sind schon einige Zeit her, deswegen weiß ich nicht mehr, warum das eher kontraproduktiv war. Das Paket hat da glaube ich immer Schriften gemischt, die ich nicht gemischt haben wollte. Jedenfalls waren Walter Schmidt und ich uns einig, daß units bei pplj/Euler wenig sinnvoll ist. Ich kann mir gut vorstellen, daß das auch auf Libertine/Times zutrifft.

Bild von Markus Kohm

Es müsste $15\,\mathrm{h}$ oder auch schlicht $15 \mathrm{h}$ heißen. Im ersten Fall setzt man bewusst einen bestimmten Abstand zwischen Zahl und Einheit, im zweiten Fall fasst man Zahl und Einheit als ganz normales Produkt auf.

Oder aber Du machst alle Einheiten immer mit \text{} (siehe Paket amsmath), dann muss es $15\,\text{h}$ heißen. Das geht natürlich auch.

Dass die Mathematik sich aus dem Text hervorhebt ist nicht so ganz ungewöhnlich und auch nicht wirklich schlecht. Wichtig ist nur, dass der Grauwert der Seite dadurch nicht gestört wird. Falls das der Fall ist, passen die Fonts einfach nicht zusammen.

Natürlich kann man auch den Standpunkt vertreten, dass nur abgesetzte Formeln in einem anderen Font zu setzen sind. Dann darfst Du aber $…$ überhaupt nicht verwenden, sondern musst die gesamte Mathematik mit den Text-Fonts setzen. Das macht keinen Spaß und außerdem fehlen Dir dann höchstwahrscheinlich Zeichen. Anderenfalls könnte man ja auch für die abgesetzten Formeln dieselben Fonts verwenden.

Damit läuft es letztlich wieder auf die Frage hinaus: Passen die Fonts zusammen? Darauf muss ich Dir die Antwort schuldig bleiben.

Typografie ist keine exakte Wissenschaft. Häufig kommt es auch auf die näheren Umstände an. Und immer wieder kommt es vor, dass man eine scheinbar gute Lösung gefunden hat und dann in ein Problem läuft, das nicht vorgesehen war und bei dem die bisherige Lösung nicht gut funktioniert.

»Es müsste $15\,\mathrm{h}$ oder auch schlicht $15 \mathrm{h}$ heißen. […]

Oder aber Du machst alle Einheiten immer mit \text{} (siehe Paket amsmath), dann muss es $15\,\text{h}$ heißen. Das geht natürlich auch. «

Warum muß die Einheit mit in den $…$-Bereich? Was ist der Unterschied zwischen \text{} und \mathrm{}? Ich hab gerade eine Weile gesucht, aber nichts gefunden.

»Natürlich kann man auch den Standpunkt vertreten, dass nur abgesetzte Formeln in einem anderen Font zu setzen sind. Dann darfst Du aber $…$ überhaupt nicht verwenden, sondern musst die gesamte Mathematik mit den Text-Fonts setzen. Das macht keinen Spaß und außerdem fehlen Dir dann höchstwahrscheinlich Zeichen. Anderenfalls könnte man ja auch für die abgesetzten Formeln dieselben Fonts verwenden.«

Ja, deswegen tendiere ich in letzter Zeit mehr und mehr dazu, LModern zu verwenden, wenn viel mathematischer Satz nötig ist. Nachdem ich ein Buch in der Hand hatte, das in dieser Schrift gesetzt ist, gefällt sie mir deutlich besser. Mit »Heimdruckern« habe ich da weniger gute Erfahrungen gemacht. Generell würde ich $…$ sparsam einsetzen, Formeln im Fließtext machen ein Dokument schnell unübersichtlich.

Vielen Dank für das ganze Feedback und die vielen Gedanken.

Also, wenn ich $...\text{}...$ verwende, dann wird es in der Brotschrift gesetzt, und mit $...\mathrm{}...$ in der Mathe-Schrift.

Ich habe mich jetzt dafür entschieden, so viel wie möglich in Libertine zu setzen, um mehr "Ruhe" in den Text zu bekommen. Dabei nehme ich in Kauf, dass die Erfassbarkeit der Zahlen darunter leidet und diese sich eben nicht vom übrigen Text abheben. Den Kontrast zwischen Times und Libertine habe ich dann doch als zu hart wahrgenommen, als dass ich daran gefallen gefunden hätte. (Aber ich verstehe schon, dass es sehr sinnvoll sein kann, Zahlenwerte in eine geringfügig andere Schrift zu setzen, damit sie als Werte wahrgenommen werden, deren Bedeutung eine andere ist, als die der übrigen Schriftzeichen.)

Hier ein Minimalbeispiel (Möglicherweise ist das Ergebnis etwas unkonventionell.):

\documentclass[
	paper=15.7cm:23.5cm,
	]{scrbook}
 
\usepackage[T1]{fontenc}
\usepackage[latin1]{inputenc}
\usepackage[ngerman]{babel}
 
\usepackage[version=3]{mhchem}% Chemie
 
\usepackage{mathptmx}
\usepackage{libertine}
%-----------------------------------------------------------------
\begin{document}
 
Die Berechnung der Masse des \ce{CO2} folgt der Formel
 
\begin{equation}
  m_{\text{\ce{CO2}}} = \frac{p_{abs} \cdot V \cdot \text{268,4}}{\text{100} \cdot (\text{273} + T)} \cdot \rho_{\text{\ce{CO2}}} \cdot A  \label{eq:carbonat1}
\end{equation}
 
mit der Dichte von \ce{CO2} im Normzustand $\rho_{\text{\ce{CO2}}} =$ 0,001$\,$977$\,$g $\cdot$ cm$^{\text{-3}}$ und dem Verhältnis der Molmassen $A$ (\ce{CaCO3} $:$ \ce{CO2}) $=$ 2,274. Schließlich ergibt sich der Anteil aus dem Verhältnis von \ref{eq:carbonat1} zur Trockeneinwaage vor dem Versuch.
 
\end{document}

Viele Grüße

Thomas Denninger

Bei mir läßt sich das nicht kompilieren, mit utf8 für inputenc funktioniert es.

Was mir sonst noch so auffällt:

  1. Was viele Leute falsch machen (meiner Meinung nach): Wenn du schreibst

    »… mit der Dichte von CO2 im Normzustand rho_CO2 = …«,

    dann bezeichnest du rho_CO2 als Normzustand. Entweder

    »… mit der Dichte rho_CO2 = … von CO2 …«,

    wobei ich mich frage, ob man das »… von CO2 …« dann noch braucht, oder

    »… mit der Dichte von CO2, rho_CO2 = …, …«.

  2. \, muß man nicht in $…$ setzen.
  3. Der Abstand zwischen g für Gramm und /cm³, bzw. vor und nach dem Punkt dazwischen, der erscheint mir etwas groß. Ich würde dort \, benutzen und den Punkt vielleicht sogar ganz weglassen.
  4. Vor der 0,001977 würde ich ein geschütztes Leerzeichen setzen (~), vor und nach dem Gleichheitszeichen vor der 2,274 auch.
  5. Nach dem A (nach »Molmassen«) würde ich ein \, setzen, auf jeden Fall etwas Geschütztes.
  6. Der Teil

    »… ergibt sich der Anteil aus dem Verhältnis von 0.1 zur Trockeneinwaage …«

    sollte besser heißen

    »… ergibt sich der Anteil aus dem Verhältnis von Gleichung (0.1) zur Trockeneinwaage …«,

    sonst stutzt man erstmal. Wobei ich den Satz dann immer noch seltsam finde. Eine Gleichung in ein Verhältnis zu einer Trockeneinwaage zu setzen ist zumindest unüblich. Vielleicht doch lieber

    »… ergibt sich der Anteil aus dem Verhältnis von m_CO2 zur Trockeneinwaage …«.

    Aber vielleicht hab ich auch den Satz einfach nicht verstanden.

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