Sie sind hier

helvet und der Standard-DIV-Wert

Ich schreibe an Dokumentenklassen für unseren Lehrstuhl. Wir wollen Helvetica als Standardschrift verwenden. Wie an verschiedenen Stellen empfohlen, lade ich das Helvet-Paket mit Skalierung und passend dazu die mathptmx-Symbole:

 \RequirePackage{mathptmx}%
 \RequirePackage[scaled=0.92]{helvet}%
 \renewcommand\familydefault{\sfdefault}%

Nun zeigt sich aber, dass die KOMA-Script-Klassen in den Standardeinstellungen den Standard-DIV-Wert für zu groß halten.

Daraus ergeben sich für mich drei Fragen:

  • Soll ich die Meldung ernst nehmen? (Würde ich schon, weil sie sonst die Nutzer unserer Klassen verwirrt.)
  • Was prüft das typearea-Paket, um diese Warnung auszugeben? (Im Code finde ich dazu die Zeile

    \ifnum\@tempcnta <-15

    kann aber nicht ganz verstehen, was \@tempcnta repräsentiert.) Unter Umständen kann ich daraus einen DIV-Wert berechnen, der gerade unter der Warnungsgrenze liegt.

  • Abhilfe könnte die Option DIV=calc bringen. Sie berechnet aber immer sehr kleine DIV-Werte (in meinem Fall 7). Das resultierende Layout würde keinen Anklang finden. Kann ich auf eine einfache Weise einen DIV-Wert berechnen, der Schrift, Seitengröße und Durchschuss berücksichtigt, aber größer ausfällt als der von DIV=calc berechnete?
  • Welche Meinungen gibt es zu dieser Problematik im Forum. Mein Ziel ist, dass die Standardwerte der neuen Klassen immer passen und dass sie nach Möglichkeit auch bei veränderten Klassenoptionen durch den Benutzer ein gutes Gesamtergebnis erzeugen.

    Danke für die Antworten,

    Simon

forum: 
Bild von Markus Kohm

Serifenlose Schriften laufen in der Regel eher schmal. A4-Papier wiederum ist eher breit. Das führt unweigerlich dazu, dass eine einzelne Spalte in Helvetica (egal ob 10pt, 11pt oder 12pt, was bei Dir ja in Wirklichkeit nur 9,2pt, 10,12pt und 11,04pt sind) selbst bei der klassischen 9-Teilung so breit wird, dass die Zeilen im Durchschnitt deutlich über 69 Zeichen enthält. Eine Warnung gibt typearea übrigens aus, wenn die eingestellte Zeilenlänge um mehr als 15% von der ermittelten guten Zeilenlänge abweicht.

Negativbeispiel:

\documentclass{scrartcl}
\usepackage{mathptmx}%
\usepackage[scaled=0.92]{helvet}%
\renewcommand\familydefault{\sfdefault}%
\typearea[current]{last}
\usepackage{lipsum}
\begin{document}
\lipsum
\end{document}

Ergibt beispielsweise eine Zeilenlänge von knapp 100. Das ist selbst für Vielleser zu viel. Profileser vertragen um die 90 Zeichen/Zeile, normale Leser 60 bis 70.

\documentclass[12pt]{scrartcl}
\usepackage{mathptmx}%
\usepackage[scaled=0.92]{helvet}%
\renewcommand\familydefault{\sfdefault}%
\typearea[current]{calc}
\usepackage{lipsum}
\begin{document}
\lipsum
\end{document}

Ergibt mit einem DIV-Wert von 8 einen kleineren Wert als bei der klassischen 9-Teilung. Man könnte sie einen DIV-Wert für ein schön gesetztes Gedicht verwenden. Für wissenschaftliche Arbeiten kann ich das nicht empfehlen.

Es gibt eigentlich nur ein Fazit: Helvetica ist ebenso wie Times für einspaltige Standard-A4-Dokumente ungeeignet. Eine Lösung für A4-Papier kann nur ein refman-artiges Layout oder mehrspaltiger Satz bringen, also ein Satz bei dem die Spalte selbst schmal bleibt und trotzdem nicht der Eindruck entsteht, dass die Ränder zu groß sind.

Übrigens halte ich Helvetica für Massentext ohnehin für ungeeignet. Für Texte, die mehrfach kopiert werden (was in der Lehre nicht gerade selten sein dürfte), ist sie absolut ungeeignet. Hier wird eine Schrift mit deutlich größerer Redundanz benötigt.

DIN A4 ist im Vergleich zu vielen Buchseiten groß, Helvetica dagegen relativ schmal. Insofern wundert es mich nicht, dass das Problem an sich auftritt.

Helvetica ist aber schlicht die Schrift unseres Corporate Designs (und nicht nur unseres) und DIN A4 eben das übliche Format. Insofern erwarten Studenten, Assistenten und Professoren, dass beides in der Standardvariante der Dokumentenklassen eingestellt ist.

Bedenkt man nun die Beliebtheit der beiden Einstellungsparameter (A4 und Helvetica), dann wundert es mich doch, dass die Automatismen von KOMA-Script damit nicht zurecht kommen. Ich finde die Idee, die hinter DIV=calc steckt, wirklich sehr gut. Die Umsetzung ist mir aber zu idealistisch. Insbesondere wundert mich, dass in den Standardeinstellungen (also auch mit der Standardschrift CMS und der Standardschriftgröße 11pt) von scrbook ein DIV-Wert von 10 verwendet wird, von DIV=calc dagegen ein Wert von 8. Der Standardseitenspiegel weicht vom idealen (DIV=calc) also deutlich ab. Scheinbar finde nicht nur ich die Berechnungen von DIV=calc zu idealistisch.

Nichtsdestoweniger: Das Layout von KOMA-Script ist sehr gut. Danke hierfür! Um es besser mit Helvetica und den Wünschen meiner Nutzerschaft kompatibel zu machen, werde ich lediglich versuchen, einen etwas laxeren Algorithmus zur automatischen Berechnung eines DIV-Werts zu implementieren, der gerade noch unter der 15%-Marke bleibt. Das entspricht nicht den Idealen, sondern ist einfach nur pragmatisch.

Übrigens wird bei uns gar nicht mehr so viel kopiert, sondern zumeist nur gedruckt.

Viele Grüße,

Simon

Bild von Markus Kohm

Der derzeitige Algorithmus bzw. die derzeitige Heuristik ermittelt bereits einen DIV-Wert, der zu eher großen Zeilenlängen führt. Du wirst kaum einen größeren DIV-Wert finden, bei dem die Zeilenlängen unter 70 Zeichen/Zeile bleibt. Deine Kritik an dem Algorithmus ist daher unberechtigt.

Die Standardschrift bei LaTeX ist übrigens nicht CMS, sondern CMR (Computer Modern Roman). Die Voreinstellungen bei KOMA-Script beruhen auf dem Ansatz maximaler Kompatibilität zu Script 2.0. Hier mal eine Gegenüberstellung der Voreinstellungen und des Ergebnisses von DIV=calc bei A4 und CMR:

fontsize Voreinstellung Zeilenlänge DIV=calc Zeilenlänge
10pt 8 90 7 80
11pt 10 90 8 80
12pt 12 90 9 80

So, jetzt kannst Du selbst entscheiden, was besser ist. Die Zeilenlängen habe ich übrigens mit einem kleinen Testprogramm ermittelt, das im Fall DIV=calc genau 10 Zeilen Text geliefert hat. Mit der Voreinstellung waren es dagegen eine Zeile weniger. Wie man sieht, ermittelt hier typearea bei DIV=calc bereits einen eher zu großen DIV-Wert.

Bei Helvetica in der von Dir gewählten Verkleinerung ermittelt typearea übrigens DIV-Werte für 76 bis 78 Zeichen/Zeile. Auch das ist noch viel.

Mir vorzuwerfen, dass ich keine Lösung für Helvetica mit A4 biete, die besser ist, obwohl ich klipp und klar sage, dass Helvetica mit A4 ungeeignet ist, finde ich dann mehr als seltsam. Ich kann nicht zaubern. Wenn es für Helvetica keine einspaltige Lösung für Helvetica gibt, bei der die Ränder nicht extrem groß werden, was erwartest Du dann? typearea bietet mit DIV=calc in dem Fall etwas, was dem Leser am meisten dient: eine (gerade noch) vernünftige Zeilenlänge. Es ist doch nicht meine Schuld, wenn Ihr nicht gewillt seid, ein Kombination aus Layout (siehe meine Vorschläge bezüglich refman oder mehrspaltig) Papierformat und Schrift zu wählen, die ein vernünftiges Ergebnis liefert. Ich gehe doch auch nicht zu einem Fahrradhändler und sage: Ich hätte gerne eine 20"-Fahrrad mit Dreigangschaltung, 40cm Rahmen, 30cm Sattelstütze und bitte sorgen Sie dafür, dass damit auch ein Mann von 1,90 m sowohl im Flachland als auch im Gebirge bequem und schnell unterwegs ist und das dabei nicht aussieht, als würde er Omas Klapprad fahren.

Untaugliche Vorgaben können nunmal zu keinen idealen Ergebnissen führen. Ich stehe jedoch zu dem Kompromiss, denn typearea wählt. Die Behauptung, es käme nicht zurecht ist falsch. Das Ergebnis gefällt Dir nur nicht. Ich habe dargelegt, warum mich das nicht wundert, und was man dagegen tun kann.

Und noch etwas: Nur weil unzählige Ahnungslose Times oder Helvetica für einspaltige Dokumente auf A4 verwenden, heißt das noch lange nicht, dass das eine gute Wahl ist. Die Wahl ist unbrauchbar! Jeder, der diese Wahl trifft schreit entweder laut heraus: "Ich habe von Typografie keine Ahnung!" oder "Das Wohl des Lesers interessiert mich nicht die Bohne!" Dieser Unfug wird sich auch so lange nicht ändern, wie sich niemand traut, Entscheidungsträger darüber aufzuklären, was für einen Unsinn sie verlangen.

Nein, ich werde mich nicht dafür entschuldigen, dass ich diese deutlichen Worte gewählt habe. Ich stehe dazu. Ich muss nicht feige vor irgendwelchen Entscheidungsträgern kuschen. Auch Profs. sind keine Götter und gerade im Bereich der Typografie zeigen viele – aber längst nicht alle – von ihnen deutliche Wissenslücken. Das ist nicht tragisch, solange sie nicht so selbstherrlich sind, das nicht zugeben zu können. Im Fall, dass sie bereit sind, dazu zu lernen, haben sie meinen vollen Respekt. Leute, die sich nicht trauen, sie auf falsche Annahmen (hier die Annahme, man könnte mit Helvetica gut lesbare, einspaltige A4-Dokumente mit kleinen Rändern produzieren, ohne auf ein refman-artiges Layout auszuweichen) hinzuweisen sind aber dabei meinen Respekt, den ich zunächst einmal jedem entgegen bringe, ebenso zu verlieren, wie Profs. die glauben, sie seien unfehlbar.

Hallo Markus,

entschuldige bitte, wenn ich dich in meinem Beitrag angegriffen habe. Das war nicht meine Absicht, denn ich kenne und verstehe deine Bedenken sehr wohl. Die Diskussionen über die Ränder in den Standardklassen und im Umfeld von LaTeX im Allgemeinen sind sehr alt und vielfältig. Deshalb bin ich immer wieder überrascht, wie oft ich auf das Paket a4wide treffe. Ich habe natürlich auch von verschiedenen Untersuchungen gelesen, welche die Zeilenlänge und Schriftfamilie/-art bezüglich ihrer Lesbarkeit zum Gegenstand haben. Insofern will ich den DIV=calc-Algorithmus in keiner Weise kritisieren. Er liefert in vielen Fällen das passende Ergebnis.

Es geht mir auch nicht darum, dass ich irgendwelche Professoren aufgrund ihres Titels oder ihrer Position als Halbgötter betrachte oder sie aus irgendwelchen anderen Gründen zufriedenstellen muss. Es geht mir um unsere Studenten und meine Assistentenkollegen. Sie verdienen den gleichen Respekt wie alle anderen Menschen um mich herum auch. Ich möchte ihnen einfach nur eine Dokumentenklasse an die Hand geben, mit der sie "glücklich" werden.

Das Problem ist schlicht das Papierformat. DIN A4 ist aus typographischer Sicht zu breit. Aber damit muss ich leben. Ich werde keinen Studenten dazu bringen, seine Diplomarbeit in DIN A5 oder sogar einem passenden 3:2-Format abzugeben. Ebenso wird keiner meiner Kollegen seinen Aufsatz oder seinen Projektantrag in einem anderen Format einreichen.

Du hast Recht, dass die Leute zu wenig typographisches Verständnis mitbringen, um einen solchen umfangreichen Text passend zu gestalten. Jedoch habe ich nicht den Einfluss, das zu ändern. Wenn mein Kollege befindet, er bekommt zu wenig aufs Papier, dann legt er die Dokumentenklasse auf die Seite, nimmt die Standardklassen mit a4wide und pfrimelt sich alles so zusammen wie er will. Und der Student wendet sich desillusioniert von LaTeX ab und schreibt seine Arbeit doch lieber wieder in MS Word. Das Ergebnis wird aber in beiden Fällen schlechter sein, als wenn ich eine Dokumentenklasse anbiete, die zwar typographisch nicht perfekt ist, aber den besten Kompromiss realisiert. Meine Vorlage würde schlicht niemand nutzen, wenn sie nicht in etwa den Anforderungen (und Gewohnheit) der Nutzer entspricht.

Du hast also die Regeln der Typographie im Blick. Ich dagegen stehe vor der Aufgabe, Leute dazu zu bewegen LaTeX zu nutzen, obwohl sie das bisher noch nicht ins Auge gefasst haben. Das ist das Spannungsfeld, in dem wir uns beide als Klassenautoren befinden. Beide Gesichtspunkte sind wichtig und beachtenswert.

Ich finde dein Layout und deine Bemühungen um gute Typographie in den KOMA-Script-Klassen also sehr gut. (Daher auch mein erster Satz im letzten Beitrag.) Deine Dokumentenklassen haben aber mittlerweile eine sehr große Nutzerschaft (zurecht! mich auch!). Ich bin mir sicher, dass darunter auch viele sind, die die Warnungen des typearea-Pakets ignorieren – sei es, weil sie diese nicht verstehen, sei es, weil sie die Einstellung einfach so brauchen. Aus dieser Überlegung heraus hatte ich anfangs vermutet, dass sich die KOMA-Script-Klassen mit dieser Problematik bereits auseindersetzen würden.

Vermutlich werde ich nun also einen Algorithmus implementieren, der für die CMR auf einen DIV-Wert von 10 kommt (bei mir ergaben sich 85 Zeichen/Zeile, bei dir 90) und für Helvetica einen entsprechend kleineren (es ergibt sich dann DIV=9, wieder bei etwa 85 Zeichen/Zeile). Damit bin ich bei der CMR kompatibel zu den KOMA-Script-Klassen, passe mich aber unterschiedlichen Schriften auch in den Standardeinstellungen dynamisch an. Das ist aus typographischer Sicht weit weg vom Optimum, aber ein Kompromiss, den die Nutzer akzeptieren werden.

Comments for "helvet und der Standard-DIV-Wert" abonnieren