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\raggedbottom, \flushbottom oder ganz anders?

Hallo,
ich würde gern Eure Meinung wissen, weil ich mich nicht ganz entscheiden kann.

Das Problem:

Wissenschaftliche Texte (also hier: scrbook, kein Artikel) haben häufig viele (und gerade in Deutschland: lange) Fußnoten. Nun ist der Platz für Fußnoten auf einer Seite beschränkt, was dazu führen kann, dass Fußnoten fortgesetzt werden. Dies finde ich nicht so störend, es ist halt irgendwann notwendig und findet sich auch im Buchdruck vor LaTeX.

Schlimmer ist es, wenn keine Fortsetzung erfolgt, sondern die Fußnote (samt "Anker", also etwas Fließtext) auf die nächste Seite gezogen wird (kommt häufiger vor, als man vielleicht so meint. Dann muss ja irgendwo ausgeglichen werden.

Es gibt (soweit ich das bisher sehe) 3 Hauptmöglichkeiten (und eine Ergänzung):

1. \flushbottom (default, oder?): Der Ausgleich erfolgt durch vertikalen Abstand, der bei Absätzen eingefügt wird (gefällt mir überhaupt nicht und ist in wissenschaftlichen Publikationen auch nicht Standard - aber das heißt ja nun gar nichts :-)). Dafür ist die gesamte Seite aber gleichmäßig gefüllt (nun ja: Die Seiten enden immer in derselben Zeile - gleichmäßig ist wohl nicht der richtige Begriff.)

2. \raggedbottom: Es erfolgt kein Ausgleich. Die Fußnote wird direkt an den Text angefügt. Natürlich erfolgt doch ein Ausgleich: Der vertikale Abstand kommt hinter die Fußnote. Damit bleiben die Absatzabstände erhalten - dafür enden die Seiten aber nicht gleichmäßig - ein Dilemma.

3. Das ist - glaube ich von Markus Kohm irgendwo mal gepostet worden - die "Mischform":

\raggedbottom 
\newcommand*\origfootnoterule{}
\let\origfootnoterule\footnoterule
\renewcommand*{\footnoterule}{\vskip 0pt plus .01fil\origfootnoterule}

Kurz: Die Fußnote steht jetzt ganz unten, die Seiten enden gleichmäßig, allerdings muss der Ausgleich irgendwo erfolgen. Mit Pech (den Fall hatte ich - und konnte leider nicht wirklich in den Text eingreifen) kann ein deutlicher Abstand zwischen Fließtext und Fußnote eintreten.

4. \enlargethispage: Ich nutze Möglichkeit 3 von Markus und greife ab und zu ein, indem ich mal eine betroffene Seite um eine (harter Fall: mal um 2) Zeilen erweitere. Dann endet das Ganze aber auch nicht mehr gleichmäßig.

So, nun endlich meine Fragen:
- Welche Variante nehmt ihr/bevorzugt ihr?
- Habe ich noch eine Möglichkeit übersehen (eine elegante Lösung für alles)? Kann ich z.B. LaTeX "zwingen" eine Fußnote "fortzusetzen", also zu trennen, auch wenn es gar nicht will (\interfootnotelinepenalty?).

Um es gleich zu sagen: Mir ist die Möglichkeit bekannt, dass ein Umschreiben und Umstellen des Textes Wunder bewirken kann. Wenn man aber fremde Texte setzt, ist diese Möglichkeit doch nur sparsam einzusetzen (auch nicht "leider": Ich möchte nicht jeden Text inhaltlich durchdringen und -arbeiten).

Bin gespannt. Beste Grüße
Carsten

forum: 
Bild von Markus Kohm

Zunächst einmal ist der Platz für Fußnoten zwar beschränkt, die Beschränkung liegt aber in der Voreinstellung jenseits der Höhe des Satzspiegels. Die Platzbeschränkung ist also nicht der Grund, wenn eine Fußnote umbrochen wird. In den allermeisten Fällen dürfte der Grund darin zu suchen sein, dass eine Fußnote immer auf der Seite beginnen sollte, auf der sie auch im Text zu finden ist. In den anderen Fällen ist es häufig eine Kollision mit Gleitumgebungen, die bei LaTeX leicht alles durcheinander bringen. Hier gibt es Abhilfe oder zumindest eine Chance darauf.

Dann ist es keineswegs so, dass wissenschaftliche Texte grundsätzlich fußnotenlastig sind. Das gilt nur für einige Wissenschaften.

Zu Deinem Punkt 1 ist anzumerken, dass \flushbottom das ist, was in Bücher üblich ist. Es gibt aber Texte, für die es nicht geeignet ist, zumindest nicht in der Form, die TeX bietet. TeX bietet leider keine globale Umbruchoptimierung. In einigen Fällen kann man durch Eingriffe in den Absatzumbruch, beispielsweise mit \looseness=-1 oder \looseness=1 manuell für eine Verbesserung beim Seitenumbruch sorgen. Ich habe diese Anweisungen schon in früheren Beiträgen vorgestellt, so dass ich mir nähere Erläuterungen dazu spare. Häufig muss man bei solchen Texten auch darauf verzichten, Schusterjungen und Hurenkinder generell zu verbieten. Die Bedeutung selbiger wird ohnehin stark überschätzt.

Zu Deinem Punkt 2 und 3 ist anzumerken, dass KOMA-Script \footnoterule bereits so umdefiniert, dass Fußnoten bei \raggedbottom nach unten verschoben werden. Siehe dazu im KOMA-Script-Buch, 3. Auflage, Seite 396f.

Zu Punkt 4: Die Wirkung von \interfootnotelinepenalty lokal zu beschränken dürfte kaum effektiv möglich sein (davon abgesehen, dass man innerhalb der Fußnoten ggf. \interlinepenalty ändern müsste, weil \interfootnotelinepenalty lediglich zu dessen Initialisierung am Anfang der Fußnoten verwendet wird). Natürlich kann man es global ändern, um Umbrüche in Fußnoten zumindest theoretisch zu erleichtern. Allerdings ist es mit 100 schon relativ klein voreingestellt.

Nein, grundsätzlich müssen wissenschaftliche Texte nicht fußnotenlastig sein - das hatte ich ja auch nicht geschrieben. Aber innerhalb der deutschen Geisteswissenschaft (und da kenne ich mich schon ein wenig aus) ist dies der Fall. Und das sind schon so einige. In den Naturwissenschaften etc. sieht das natürlich ganz anders aus. Aber das wollte ich ja nicht diskutieren.

Für diese Form der Publikation ist \flushbottom wirklich nicht geeignet - den Absätzen wird dort häufig viel zu viel Gewicht beigegeben.

\raggedbottom mit umdefinierter \footnoterule ist in KOMA schon enthalten (ich habe TeX Live 2009 - da kleben sie bei mir noch am Text)? Ich bin mit der Paketaktualisierung nicht immer auf dem neuesten Stand (aber die 3. Auflage ist doch von 2008 - hmmm). Ich habe mir das Buch vorhin gerade bestellt. Mal sehen.

Und wie denkst Du über \enlargethispage? Ich muss irgendeine schöne Lösung finden. Gleitumgebungen sind es nicht, die etwas durcheinander bringen (es gibt keine in dem erwähnten Buch - sehr textlastig mit vielen, vielen und langen Fußnoten).

Für Tipps und Anregungen bin ich sehr dankbar. bigfoot und manyfoot schaue ich mir gleich mal in Ruhe an.

Grüße

Ich nehme alles zurück.

Es ist zwar etwas aufwendig, aber im Grunde habe ich jetzt mit \flushbottom und looseness die underfull vbox-Meldungen praktisch verschwinden lassen. Es geht also doch.

Nur in einem sehr hartnäckigen Fall musste ich auf \enlargethispage zurückgreifen. Gut, das ist eine lässliche Sünde (hoffe ich).

Ich kann nicht sehr viel Konkretes beitragen, außer, dass ich dringend empfehle, das Paket "bigfoot" zu laden. Bereits ohne sonstige Änderungen, wird ein verbessertes Verhalten beim Setzen von Fußnoten zu beobachten sein. Weitere vermutlich im Sinne der Anfrage wichtige Informationen zu Konfigurationsmöglichkeiten finden sich in der Anleitung.

...Rolf

Nachtrag: Ich muss mich noch an das Schreiben von Kommentaren und überhaupt an die Umgebung hier gewöhnen. Danach werde ich wohl auch bemerken, wenn es bereits erschöpfende Antworten gegeben hat ;-(

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