In Teil 10 des LaTeX Tutorials geht es um eine Vorlage für Abschlussarbeiten. Wer mich kennt, weiß, dass ich bereits bei dem Wort Vorlage zusammengezuckt bin. Aber trotzdem habe ich mich bemüht, vorurteilsfrei an die Sache zu gehen. Vielleicht, hat da ja mal jemand wirklich eine gute Vorlage erstellt? Ich sage es gleich: Hat er leider nicht – im Gegenteil!
In Minute 3 erklärt der Vortragende, dass er mit \setlength{\parindent}{0pt}
¹ die Einrückung am Anfang jedes Absatzes entfernt hat, weil er die nicht haben will. Er erklärt an der Stelle aber nicht, wie er Absätze stattdessen markiert. Nach Teil 6 schwant mir zwar finsteres, aber halt, halt bemühen wir uns um Neutralität. Korrekt wäre natürlich, dann Absatzabstand einzuschalten. Und korrekt würde man das bei der verwendeten KOMA-Script-Klasse mit einem passenden Wert für Option parskip
oder notfalls Anweisung \setparsizes
(die bitte möglichst unmittelbar nach dem Laden der Klasse und ggf. nach der genannten Option) erledigen. Ein Sprung dreißig Sekunden zurück offenbart aber, dass er Option parskip
bisher nicht verwendet. Ich verrate es gleich, er wird es auch bis zum Ende des Teils nicht.
Der Sprung zurück offenbart noch mehr. So lädt er das Beispiel Paket graphicx überflüssiger Weise gleich zwei Mal, was die Übersicht nicht gerade erhöht und den Anwender leicht irre führen kann. Außerdem wird das bereits Ende 2013 stark veraltete Paket subfigure geladen. Dessen offizieller Nachfolger subfig wird gar nicht erwähnt und es wird auch nicht begründet, warum stattdessen das veraltete Paket verwendet wird. Ich tippe auf: Unkenntnis. Empfehlen würde ich übrigens das Paket subcaption, da dies im Gegensatz zu den vorgenannten optimal mit caption zusammenarbeitet.
Außerdem bedient sich der Vortragende der leider weit verbreiteten Unsitte, Links nicht einzurahmen und nicht zu unterstreichen, sondern einzufärben und zwar schwarz. Leute, wenn ihr keine Links wollt, dann verwendet keine oder nehmt Option hidelinks
für hyperref. Wenn ihr keine Farbe im Ausdruck wollt, dann verwendet umrandete oder unterstrichene Links. Beides verschwindet im Ausdruck. Links, die ich erst mit der Maus suchen muss, sind grober Unfug! Außerdem macht er den typischen Fehler, alle Optionen beim Laden von hyperref anzugeben. Solange alle Strings aus US-ASCII-Zeichen bestehen, mag das noch funktionieren. Sobald aber hyperref die Codierung der Strings für irgendwelche Sonderzeichen wechseln muss, kann es in die Hose gehen. Deshalb sei dringend empfohlen, min. die String-Optionen per \hypersetup
zu setzen. In einem Tutorium sollte man das am besten von Anfang an so machen! Und natürlich wird auch wieder einmal pdftex=true
gesetzt. Leute! hyperref weiß selbst, dass es bei Verwendung von pdflatex das pdftex-Backend verwenden muss. Das braucht man ihm nicht erst zu sagen und damit den Wechsel zu einer anderen Engine zu erschweren.
Dass der Vortragende color statt xcolor verwendet, sei ihm gegönnt. Persönlich würde ich zwar xcolor immer den Vorzug geben. Aber darüber kann man streiten – solange man keine Farbe in Tabellen verwendet.
Ich weiß jetzt aber auch, warum neuerdings jedes zweite Beispiel in den Foren Paket transparent lädt, obwohl ich selbst es noch nie benötigt habe und ernste Zweifel habe, dass das wirklich so viele Leute benötigen. Der Herr bezeichnet es als eines der Pakete, die man als Standard lädt. Nö, tut man nicht! Lädt man nur, wenn man wirklich Bedarf dafür hat. Hat man eher selten. Lässt man in Minimalbeispielen und den meisten Tutorien einfach weg.
Kopf und Fuß werden natürlich wie in Teil 7 trotz KOMA-Script-Klasse mit fancyhdr statt mit scrlayer-scrpage gemacht. Interessant, dass die dort gewählten Einstellungen den KOMA-Script-Einstellungen für doppelseitige Dokumente weitgehend entsprechen – natürlich werden die Fonteinstellungen von KOMA-Script und andere Optionen aber nicht beachtet und natürlich wird fancyhdr-typisch der miserable automatische Versaliensatz mit \MakeUppercase
verwendet, den man ggf. zumindest mit microtype ein wenig verbessern sollte, wenn man gar nicht die Finger davon lassen kann.
Sehr schön eigentlich, dass \hyphenation
erklärt wird. Allerdings ist St-rei-fen-licht-scan-nern
auch nicht viel besser als das, was TeX selbst liefert.
Und ich weiß jetzt endlich, woher dieses
\newcommand{\RM}[1]{\MakeUppercase{\romannumeral #1}}
kommt, das ich so oft sehe, dessen Verwendung ich aber praktisch nie sehe. Angeblich braucht man das für römisch nummerierte Aufzählungen. Nö, braucht man nicht. Pakete wie enumerate können das auch ohne diesen Befehl. Den braucht man ohnehin nur, wenn man die Nummerierung von Hand macht, und dann kann man natürlich auch gleich die römische Zahl schreiben – wenn man das nicht kann, sollte man besser auf römische Zahlen verzichten.
Schön, dass er erklärt, dass er in einer Datei nur die Einstellungen und in anderen (per \include
) nur den Text hat. Schlecht aber, dass er Einstellungen, die er gar nicht erst erklärt, nach \begin{document}
vornimmt und dabei auch noch das zu \makeatletter
gehörende \makeatother
vergisst.
Bei den Einstellungen wird dann auch noch ungeschickt mit \pagenumbering
auf große römische Seitenzahlen umgeschaltet. Ungeschickt nicht, weil er sich dabei auf die neue Seite von \include
verlässt, sondern weil er es an falscher Stelle macht. Wenn man den Vorderteil anders als den Rest des Dokuments nummeriert – obwohl die technische Notwendigkeit dafür durch die Verwendung von LaTeX hinfällig ist und es daher für den Leser besser wäre, es nicht zu tun – dann muss man das natürlich vor der Titelseite machen und nicht erst danach. Wer das nicht glaubt, soll mal ein paar Bücher aus dem Regel nehmen, bei denen tatsächlich noch römische Seitenzahlen im Vorderteil verwendet werden. Erste Seite Schmutztitel, zweite Seite Frontispiz, dritte Seite Titel, vierte Seite Verlagsangaben, fünfte Seite Vorwort, sechste Seite frei, siebte Seite Inhaltsverzeichnis. Meist ist das Inhaltsverzeichnis die erste Seite, die eine Seitenzahl trägt, aber eben nicht i oder I oder 1! Natürlich können einzelne Seiten (mit ihren Rückseiten), beispielsweise das Vorwort mit der nachfolgenden Vakatseite auch wegfallen. Die grundsätzliche Tatsache, dass von der ersten Seite des Buchblocks (zunächst unsichtbar) gezählt wird, bleibt aber.
Da der Vortragende empfiehlt, all diese Einstellungen einfach zu übernehmen, dürfen wir uns nicht wundern, dass die Anfänger genau das tun und sich damit ungewollt der berechtigten Kritik und leider auch dem weniger schönen Hohn anderer aussetzen. Bedankt euch bei dem Lehrer, der so tut, als wüsste er es, tatsächlich aber offensichtlich wenig Ahnung hat.
Kurz darauf verlässt er sich dann übrigens nicht mehr auf die neue Seite von \include
und fügt selbst \newpage
ein. Hm. Theoretisch könnten (ohne das \include
, das \newpage
ohnehin überflüssig macht) danach dann noch restliche Gleitumgebungen ausgegeben werden. Also sollte man in der Regel besser \clearpage
verwenden. In einem Tutorium könnte man das als allgemeinen Grundsatz anwenden. Und eigentlich gehört vor ein \pagestyle
immer \cleardoubleoddpage
, weil die neue Seite eine rechte Seite werden muss und man davor ggf. eine Vakatseite benötigt. Anderenfalls kommt man beim Druck in Teufels Küche! Auch in einem einseitigen Beispiel stört die Verwendung von \cleardoubleoddpage
nicht.
Wie schon in Teil 8 wird natürlich für das Literaturverzeichnis wieder bibtex verwendet. In meinen Augen ist das überholt und eher von Nachteil. biblatex und biber ist nicht wirklich schwerer zu bedienen. Ein mit unsrtdin vergleichbares Ergebnis ist damit sehr leicht zu erreichen und besitzt dann sogar noch diverse Erweiterungen wie die Möglichkeit der Verwendung von URLs für alle Datensätze.
Interessant wird es dann wieder in Minute 6. Dort zeigt sich am gezeigten Inhaltsverzeichnis, dass der Vortragende seine als recht selbstverständlich abgehandelte Änderungen an den \part-
Einträgen ins Inhaltsverzeichnis selbst gar nicht verwendet. Offenbar benutzt er \part
nicht. Also hätte schon er die Änderung wohl besser weggelassen.
Klar geworden ist mir dann auch noch, warum ich seit einiger Zeit wieder verstärkt das Abbildungsverzeichnis am Ende des Dokument finde. Er macht das so und zeigt das so. Nun, man kann das machen. Üblich ist aber meist, Abbildungs- und Tabellenverzeichnis nach dem Inhaltsverzeichnis. Wenn man das Abbildungsverzeichnis hinten macht, dann bitte auch das Tabellenverzeichnis. Kürzlich habe ich da bei einem Anwender eine ungute Verteilung gesehen. Aber nicht missverstehen: Den Fehler hat der Anwender gemacht, nicht der Ersteller dieser Vorlage.
Anmerken möchte ich noch, dass die Verwendung der Auto-Vervollständigung in einem Anfänger-Tutorium wie Magie anmutet. Leider wurde auch in den früheren Teilen nicht so richtig erklärt, wie diese Magie funktioniert. Da die meist ungeduldigen Anfänger vermutlich recht häufig mit diesem Teil beginnen, würde mich wirklich interessieren, ob die das selbst herausfinden.
Dass der Vortragende mit diesem Teil den Grundlagenkurs beendet, finde ich nach dem Studium der ersten zehn Teile eine sehr gute Idee. Bitte, bitte, diese Vorlage nicht verwenden! Nein, die übrigen, im Tutorium nicht im Detail behandelten Dateien habe ich mir nicht näher angeschaut. Das wollte ich mir ersparen. Ich befürchte, dass insbesondere die Titeldatei ebenfalls nicht zu empfehlen ist. Schon die Hauptdatei ist einfach nur schlecht und man sollte sie ganz schnell in den Müll werfen – oder grundlegend überarbeiten. Lieber "LaTeXTutorial" bitte, bitte lerne aus Deinen Fehlern und ersetze die ganzen schlechten Videos durch gute. Du kannst Dich auch gerne vor der Veröffentlichung eines Teils oder mit Deinem Beispiel oder Drehbuch an mich wenden, um vorab Verbesserungsvorschläge zu erhalten.
Allerdings könnte es sein, dass ich mich zu früh gefreut habe. Denn es gibt tatsächlich auch noch Teil 11 bis 16. Mal sehen, ob ich mir davon noch den einen oder anderen anschaue, soweit ich dabei nicht selbst der Einäugige oder Blinde wäre, wie das bei Tikz beispielsweise eindeutig der Fall ist.
Kommentare
Einige Kritikpunkte wurden teilweise beseitigt
Die unterhalb des Videos herunterladbare Vorlage ist irgendwann mal etwas überarbeitet wurden, so dass in dieser ein Teil der Kritikpunkte beseitigt ist, aber längst nicht alles, weshalb von der Verwendung auch weiterhin eindeutig abzuraten ist.
Das Video scheint dagegen noch das alte zu sein. Dort werden jetzt lediglich an den entsprechenden Stellen Kommentare mit Hinweisen auf die erfolgten Änderungen eingeblendet.
Ja, aber
Dass die Vorlage teilweise abgeändert wurde, hatte ich schon vor einiger Zeit bemerkt. Allerdings stellt sich dann natürlich wieder die (bereits früher als Kritik geäußerte) Frage, ob es gut ist, wenn Quellcode und (hier im Video) gezeigtes Ergebnis voneinander abweichen. Bei mir selbst bleibt eher haften, was ich im Video gesehen habe. Das mag bei anderen anders sein.
Trotzdem ist der Hinweis natürlich wichtig. Danke dafür.